Ortler via Hintergrad

Tourenbericht:
Ortler (3.905m) via Hintergrat
10. – 12.08.2021

Jens Eiseler, Diana Daiss, Josef Adldinger

Gipfel Ortler 3.905m

Wie so oft, wenn man zusammen in den Bergen ist, spricht man irgendwann über jene Touren, welche man doch gerne irgendwann einmal machen möchte. Bei Diana und mir war das unter anderem der Ortler mit Aufstieg über den Hintergrat. Sepp, der diese Tour zwar schon einmal gegangen war, sagte sofort zu, sie nochmals zu machen. Ich muss zugeben, dass ich darauf gehofft hatte: Mit Sepp als Seilpartner hat man einen erfahrenen und starken Bergsteiger dabei 🙂 So reservierten wir uns gleich die gesamte Woche vom 09. – 15.08. Unsere Chancen auf ein gut-Wetter-Fenster standen also gar nicht schlecht.

Letzten Endes starten Sepp und ich am 10.08. hier in Freising und treffen Diana, die bereits unterwegs ist und aus der Schweiz kommt, in Sulden in Südtirol. Von dort steigen wir zügig die 850Hm auf die Hintergrathütte auf, unser Ziel stets vor Augen. Dort genießen wir bei wirklich bestem Wetter den restlichen Tag bis wir dann nach dem Abendessen pünktlich um 22 Uhr unsere Betten aufsuchen. Schließlich soll uns unser Wecker bereits um 3 Uhr wieder aus dem Schlaf reißen. Frühstück um 3:30 Uhr, Punkt 4 Uhr stehen wir vor der Hütte. Überwältigt vom wolkenlosen Himmel und der hell leuchtenden Milchstraße (welche ich so klar wirklich noch nie zuvor gesehen habe!) geht es los in Richtung Hintergrat. Die ersten beiden Stunden Stapferei und der Aufstieg durch ein steiles Geröllfeld im Stockfinstern überspringe ich lieber. Während der Dämmerung und als das Gelände endlich noch etwas steiler wird, darf das erste Mal etwas gekraxelt werden. Den Sonnenaufgang dürfen wir dann bei bestem Wetter und einer Wahnsinnsaussicht bereits auf dem ersten Eisfeld genießen. Da es die Vorwoche wohl nochmals 60cm geschneit hat liegt ab hier auf dem gesamten Grat noch Schnee. So lassen wir die Steigeisen einfach an und steigen, zügig an Höhe gewinnend, bis zum wohl markantesten Punkt des Grates auf, dem Signalkopf (ca. 3.700m). Dieser wird nicht übergangen, sondern südseitig umklettert. Die beiden sich vor uns befindlichen Seilschaften einer Bergwachtgruppe haben gerade noch ihre liebe Not mit deren zu entwirrenden Seilen. So überholen wir diese souverän und bringen die erste Schwierigkeit gleich hinter uns. Nach einer nun einfachen, auf Fotos jedoch spektakulär wirkenden Gratüberschreitung, erwartet uns die erste Schlüsselstelle. Eine kurze IVer-Passage: Ein nach links abdrängender Riss, die Steilstufe insgesamt vielleicht 3 – 4m lang. Mit schwerem Rucksack, Bergstiefeln und Steigeisen dann aber doch gar nicht so leicht! Danach folgt wieder leichteres Gelände, meist Ier & IIer, bis wir das zweite, steile Eisfeld erreichen. Unschwierig steigt man dieses bis zum Fuße einer Steilstufe empor, der zweiten Schlüsselstelle. Hier entledigen wir uns unserer Steigeisen und meistern auch diese IVer Stelle. Vielleicht haben wir uns mittlerweile an das Gelände gewöhnt, denn uns kommt die Kletterei etwas leichter vor als zuvor. Als wir nun alle am Stand angekommen sind, lichtet sich der Nebel um den Gipfel zum ersten Mal. Lediglich ca. 50m einfaches IIer (oder IIIer?) Gelände trennen uns noch von ihm. Irgendwie schade, denn der Gratanstieg war absolut überragend! Nach nur 6h also stehen wir nun auf dem Gipfel des 3.905m König Ortler. Die Wolken reißen genau lange genug auf, um die wunderbare Aussicht zu genießen.

Nach einer kurzen Rast und einem Gipfelbild machen wir uns auf den nicht zu vernachlässigenden Abstieg via des Normalwegs. Nach einem „Gletscherhatscher“ kommen wir nach einiger Zeit wieder in Felsgelände und zu einem Abseilpunkt, an dem bereits einige Seilschaften geduldig warten. Nach ein paar Minuten sind auch wir an der Reihe, seilen ab und kraxeln weiter bis wir an eine mit Ketten versicherte, 70m hohe Abkletterstelle gelangen. Zügig ist auch diese geschafft. Nun geht es, meist in Ier Gelände, den Steigspuren folgend unterhalb der Tabarettaspitze vorbei bis zur Payerhütte. Nach etwas unter 4h Abstieg setzen wir uns dort in die Sonne und genießen den Rückblick auf den Berg, welcher uns (in jedem Falle mir) gerade eine der überwältigendsten und schönsten Touren beschert hat. Um das Bilderbuchbild perfekt zu machen sei noch erwähnt, dass über der Hütte ein Bartgeier oder Steinadler (wir konnten es leider nicht genau sagen) die Thermik nutzte und seine Runden drehte.

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Während dem landschaftlich wirklich schönen Abstieg von der Hütte am Folgetag versuche ich, mir geistig noch ein paar Notizen zu machen:

  • Der Ortler Normalweg ist eine echte Nummer! Auch als eigenständige Tour ist diese keinesfalls leicht.
  • Die Tour in der Dreierseilschaft mit Diana und Sepp lief wie am Schnürchen, als hätten wir das schon 100 Mal gemacht. Definitiv wiederholungsbedürftig. Zu Hause gleich in den Kalender schauen, wann wieder Zeit ist.
  • Und die in diesem Moment wichtigste Erkenntnis: Vielleicht nimmst du das nächste Mal doch lieber noch eine kurze Hose zur Hochtour mit. Zu- und Abstieg bei 25°C in einer Hardshellhose sind nun wirklich keine gute Kombi!

Jens Eiseler

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