Bernina-Trek 2021

Einmal ist keinmal …

Als wir im August 2020 auf dem Kesch-Trek in Graubünden unterwegs waren, zeichnete sich in der Ferne ein vergletschertes Massiv ab, das uns einen Höhenweg lang begleitet und fasziniert hat – die Sella-Gruppe, besser bekannt als Bernina, nach ihrem höchsten Gipfel, dem Piz Bernina (4049 m). Dort wurde die Idee für den Bernina-Trek als Folge-Tour geboren. Ulrich hat sie fach-, fuß-, mundgerecht und vor allem genusstauglich für uns ausgearbeitet.

unterwegs von der Albula-Passstraße zur Fuorcla Crap Alv

Mehrere Wiederholungstäter*innen (Elke, Ulrike, Elisabeth und Maximilian) und zwei Neue (Silvia, Sibylle) waren mit von der Partie, als wir am Samstag, 14. August 2021 per Bahn aufbrachen, um dort anzuknüpfen, wo wir im Jahr davor geendet hatten: mit einem schönen Nachmittag im Schweizer Bergün und einem kulinarischen Abend im charmanten Kurhaus, einem Hotel der Jahrhundertwende. Es hätte Thomas Mann als Vorlage für seinen Zauberberg gefallen.

Sechs Wandertage lagen vor uns, zu Hütten, die wie Adlerhorste auf 2500–2700 m Höhe am Berghang klebten und per Hubschrauber versorgt werden, überdacht von majestätischen, schneebedeckten Gipfeln (u.a. Piz Bernina, Piz Roseg, Piz Palü, Piz Morteratsch). Umrahmt waren sie von Gletschern mit Randspalten, Seiten- und Endmoränen, was wir von der Coaz-Hütte aus eindrucksvoll erkunden konnten. Durch Arven- und Lärchenwälder schlängelten sich unsere Wege, über ausgedehnte Flächen mit Heidelbeeren und magere Grasflächen mit stacheligen Alpen-Kratzdisteln, Blauem Eisenhut und den puscheligen Samenständen des Alpen-Nelkenwurz. Dazu kamen Schwammerl, Schmetterlinge sowie pfeifende und furchtlos posierende Murmeltiere in großer Zahl. Wir stiegen in die Höhe durch vielfarbiges Gestein und Geröll und überwanden kleine und größere Bachläufe, mal mit und mal ohne wackelige Brücken-Konstrukte.

 

Auf dem Weg zur Tschierva-Hütte aus dem Roseg-Tal mussten wir den Fluss Roseg auf einem rudimentären Sitz an einer handbetriebenen Seilwinde überqueren.

abenteuerliche Gletscherbach-Überquerung per Mini-Seilbahn

Uns allen und Ulrich ganz besonders ist der Atem gestockt, als das Zugseil aus der Rolle sprang, während Silvia in der Mitte des Flusses hing. Gut, dass wir mit Maximilian einen Ingenieur dabeihatten, der das Problem ratzfatz behoben hatte. Denn: einem Inscheniör ist nix zu schwör!

Freiwillig war der Sprung in den eiskalten Beverin am ersten Wandertag, nebst ausgiebiger Brotzeitpause. Da befanden wir uns noch im Park Ela der Julier-Region, bevor wir in das Bernina-Gebiet und das Engadin hinüberwanderten. Weniger lustig haben wir am zweiten Wandertag die Bekanntschaft mit dem Wasser von oben erlebt. Auf dem Weg zur Coaz-Hütte am Südhang des Piz Corvatsch überraschte uns ein verfrühtes Nachmittags-Gewitter mit heftigen Sturmböen und beißenden Geschossen von Graupeln, das wir schlotternd vor Kälte unter einem Felsvorsprung aussitzen mussten. 30 Minuten später war der Spuk vorbei, und die restliche Stunde Weg ein nasses Rinnsal bzw. ein Bett randvoll mit Hagelkörnern. Pitschnass, erschöpft, aber heil sind wir auf der Hütte angekommen, wo der patente Hüttenwirt schnell einen kompletten Raum mit Seilen kreuz und quer zum Trockenraum umfunktionierte, an denen wir Jacken, Shirts, Hosen und Socken aufhängen konnten. Die Schuhe stopften wir mit einem Stapel sorgfältig geglätteter Zeitungsseiten aus, die teilweise aus dem Jahr 2019 stammten. Dann ging es über zu heißem Tee, Suppe und deftigem Essen. Duschen oder warmes Wasser waren Fehlanzeige! Am Tag darauf waren die Schuhe halbwegs trocken und die Zeitungen nass. Sie wurden sorgfältig geglättet und in der Stube zum Trocknen ausgebreitet – für die nächsten Regen-Einkehrer.

  • Mittagspause am Fluss

Der neue Morgen brachte neben ein paar Wolkenfeldern strahlenden Sonnenschein, und so sollte es für die weiteren Tage der Tour bleiben. Opulente Abendmenüs wechselten sich ab mit bescheidenen Frühstücken, weshalb Maximilian untertags mit Schinkenspeck, Kaminwurzen, Käse und Schokolade eine dankbare Anlaufstelle war, wenn keine Einkehr auf der Strecke lag. Der Ehrgeiz, Strecke zu machen, war unterschiedlich ausgeprägt, und während die einen die 3000 m Marke gerissen haben, gaben sich andere mit einer Passhöhe von 2966 m am Fuorcla Suvretta zufrieden. Einmal konnten wir per Gondel unsere Tagesetappe verkürzen und zweimal mit der Rhätischen Bahn und per Bus einige Kilometer einsparen. Das haben nicht alle gleichermaßen gut gefunden, aber es ist eine Besonderheit des Bernina-Trek, die man erwähnen muss und genießen kann. Der Weg lässt sich je nach Wetter, Kondition, Lust und Laune ausdehnen oder abkürzen, wie manch andere Tour im Bernina-Tal. Überhaupt muss man einmal mit der Rhätischen Bahn auf der Bernina-Strecke gefahren sein, die seit 2008 zum UNESCO-Welterbe gehört. Bleibt noch unser genussvoller Abschluss-Abend auf dem Stadtplatz im urbanen Örtchen Poschiavo (Puschlav) zu erwähnen, wo wir das Grüezi-mitenand-Land verlassen und uns unvermittelt im Bon-Giorno-Sprachraum wiedergefunden hatten. Am nächsten Morgen durften wir die Bernina-Bahn bis Chur vier Stunden lang bei strahlendem Sonnenschein genießen: Die atemberaubende Landschaft mit den Gletschern, die Kehren, Galerien und (Kehr-)Tunnel, die kleinen Berg-Dörfer mit markanten Kirchtürmen und den Malereien an den Hauswänden. Zum Augenschmaus kamen enorme Glücksgefühle über die großartige und erfolgreiche Tour: Einmal Schweizer Berge, immer wieder Schweizer Berge … und ein großes Dankeschön an unseren Wanderführer Ulrich.

Elisabeth Melzer

Fotos: Elisabeth Melzer und Maximilian Danzer

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