Route du Soleil – Skidurchquerung in der Schweiz

Route du Soleil – der Sonnenweg
Von dieser nicht so bekannten Skidurchquerung in der  Schweiz hatte ich in der ersten Ausgabe der Alpin-Zeitung   2021 gelesen.  Dann ist sie mir auch in einem Buch „Die schönsten  Skidurchquerungen der Alpen“ aufgefallen.  Und sie hat mich gleich richtig angemacht.  Da ich schon lange wieder mal Bock auf eine richtige   Skitourenwoche hatte, wuchs in mir der Wunsch diese  einsame Durchquerung durch mehrere Kantone der  Schweiz, mit einem Abstecher nach Italien zu machen.   Kurzerhand schickte ich meinem langjährigen Freund  Jürgen, der mittlerweile seit 15 Jahren in der Schweiz am  Bodensee lebt, die Tourenbeschreibung.  Er ist der Einzige in meinem engsten Freundeskreis der  für so ein Vorhaben in Frage kommt.  Ich war mir sicher, dass er auch sofort Feuer fangen  würde, und so war es dann auch.  Wir fanden dann auch ziemlich schnell einen passenden  Termin, es sollte die Woche vor Ostern werden.  Über dem ganzen Vorhaben hing natürlich immer das  Damoklesschwert „COVID-19“.  Trotzdem planten wir beide diese Tour und stimmten  uns in regelmäßigen Telefonaten ab.  Die Route stand, den Abstecher nach Italien mussten wir   aufgrund Corona und fehlender Winterräume ausfallen  lassen, aber wir konnten das ganz gut lösen.

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Am 23.03. startete ich nach dem Abendessen mit meiner   Familie um 20:30 Uhr in Richtung Schweiz.  Obwohl ich immer gerne, voller Vorfreude in Richtung  Berge fahre, fiel mir dieses Mal der Abschied richtig  schwer. Vielleicht weil ich das letzte Mal im August 2020  für mehrere Tage unterwegs war.  Bei Jürgen angekommen tranken wir noch ein Bier vom  mitgebrachten MOY, und gingen dann ins Bett.  Schließlich ging es am nächsten Tag um 6 Uhr Richtung   Realp am Furkapass.  Wir waren beide sehr gespannt auf die bevorstehenden  Tage, jedoch war auch eine gewisse Unsicherheit  vorhanden.  Zum einen hatte keiner von uns zwei zuvor schon mal  eine solche Durchquerung in Eigenregie geplant und  durchgeführt. Zum anderen hatte es die Woche zuvor  noch massiv geschneit und der Wind hatte teilweise  große Triebschneepakete gebildet.  Der Lawinenlagebericht war auf Stufe 3.  Um 9:30 starteten wir vom Parkplatz in Realp ins  Witenwasserntal. Die Sonne heizte uns gleich gewaltig  ein, sodass wir nach kurzer Zeit gleich mal eine  Ausziehpause brauchten.  Der Weg war uns klar und zog durch kopiertes Gelände in  Richtung Rotondo Hütte.   Aus steilen Flanken gingen in den letzten Tagen einige  Lawinen ab, die Kegel waren nicht zu übersehen.  Doch bevor wir zu der berühmten Hütte aufstiegen,  stand noch unser erster Gipfel auf unserem Tourenplan.  Der Pizzo Lucendro, mit 2963 m ein beliebter  Skitourengipfel in dieser Gegend.  Da dieser über ein steiles Joch und einen ähnlich steilen  Gipfelhang bestiegen wird, hofften wir das die Locals  schon gespurt hatten.  So war es auch. Der Schnee in den Schlüsselstellen war  schon gut gesetzt und entsprechend eingefahren.  So konnten wir den Lucendro über den leichten Grat  ohne Probleme besteigen.  Trotz der super Verhältnisse waren nur zwei andere  Tourengänger, die auch schon zeitgleich mit uns im Tal  starteten, auf dem Pizzo.  Nach der Gipfelbrotzeit machten wir uns an die Abfahrt.  Über den Gipfelhang zum Joch – noch eine kurze  Querfahrt zu den schönen nordseitigen Hängen.  600 hm Abfahrt im Idealgelände mit schönem Pulver  waren ein guter Einstieg am ersten Tourentag.  Die 500 hm Gegenanstieg zur Hütte schwitzten wir dann  geduldig und zufrieden noch oben.  Der offiziellen Anmeldung bei der Hüttenwirtin zogen wir  zwei Radler und ein Bier auf der Terrasse vor.   Von hier konnten wir schon unseren weiteren Weg zum  Witenwasserpass gut einsehen.  Erst als die Sonne hinter dem Leckihorn verschwand,  räumten wir unsere Sachen zusammen und bezogen  unser Zimmer.  Die eigentlich immer mit ca. 70 Personen ausgebuchte  Hütte war nur mit 15 Personen belegt, sodass wir uns ein  Zwölferlager nur noch mit einem Schweizer Paar teilen  mussten.  Zum sehr guten Abendessen gönnten wir uns dann auch  eine Flasche Rotwein.  So konnten wir noch vor der Hüttenruhe, sehr zufrieden  mit dem ersten Tag, ins Bett gehen.  Am nächsten Morgen saßen wir um 6 Uhr voll motiviert,  aber auch wieder leicht nervös, beim Frühstück.  Denn heute stand gleich ein Höhepunkt der Tour an.  Der Pizzo Rotondo mit seiner bis zu 50° steilen südwest-  seitigen Rinne.  Dieser Berg ist eigentlich nicht Bestandteil der klassischen  „Route du Soleil“, jedoch erschien uns beiden die Tour  schon ein paar Jahre zuvor, bei einem Tourenwochende  im Val Bedretto, als sehr reizvoll.  So hatte ich kurzerhand, ohne Jürgen etwas zu sagen,  unseren Sonnenweg über diesen Gipfel geplant.  Also starteten wir um sieben Uhr bei toller  Morgenstimmung in Richtung Westen zum  Witenwasserpass. Im Rücken hatten wir den  Sonnenaufgang, die Rotondo Hütte und den Pizzo  Lucendro.  Und dazu hatten wir die in den Berichten beschriebene  Einsamkeit.

Auf unserer Route waren wir alleine in grandioser  Landschaft unterwegs.  Vom Witenwasserpass folgte eine kurze Abfahrt zum  Gerengletscher. Um den Gletscherbruch zogen wir einen  weiten Bogen auf die Nordseite des Rotondo.  Von hier aus folgte eine längere Querung mit Fellen auf  die Westseite.  Hierbei fing sich ein Ski von Jürgen in dem teilweise  brüchigen Harsch, sodass er mit einem schönen Hecht in  den tiefen Schnee eintauchen durfte.  Nachdem er sich wie ein nasser Hund vom Schnee befreit  hatte, konnten wir unseren Weg fortsetzen.  Auf der Westseite angekommen, konnten wir schon die  ganze Flanke inkl. dem steilen Couloir einsehen.  Dass wir von hier aus eine Vierergruppe kurz vor dem  Skidepot sahen, beruhigte uns eher.  So konnten wir schön die Verhältnisse im Steilstück  beobachten.  Der Aufstieg vom Passo di Rotondo zum Skidepot war  zwar nur ca. 300 hm, zog sich aber irgendwie ganz schön  hin.  Beim Auslauf der Rinne angekommen, machten wir erst  mal eine Pause und stärkten uns mit dem üppigen  Lunchpaket der Rotondo Hütte.  Da wir bei der Gruppe vor uns keine Schwierigkeiten  beim Aufstieg feststellen konnten, machten wir uns auch  auf.  Mit Steigeisen und Pickel stieg ich ein, Jürgen folgte mit  geringem Abstand.  Es war super Trittschnee in der Rinne, sodass wir langsam  aber stetig höher kamen.  Den Abstand ließen wir nie zu groß werden, da sonst der  unter mir gehende Jürgen den herabfallenden Schnee ins  Gesicht bekam.  Es war zwar anstrengend, aber es machte mir richtig Spaß  hier zu sein. Genau so stelle ich mir Skibergsteigen vor.  Nach einer kurzen Wartezeit am Joch kam uns die  Vierergruppe die sich als Militärgruppe auf Übungstour  entpuppte, im Abstieg entgegen.   So würde für mich Militär auch wieder Sinn ergeben!  Vom Joch aus ging es noch etwas ausgesetzt über einen  leichten kurzen Grat II zum 3192 m hohen Pizzo Rotondo  Gipfel.  Natürlich hatten wir bei dem traumhaften Wetter eine  gigantische Aussicht – nur für uns ganz alleine.   Der Abstieg ging schneller, wir mussten aber immer noch  vorsichtig sein. Der Schnee war schon etwas weicher als  beim Aufstieg, sodass die Tritte teilweise ganz schön tief  gingen.  Vom Skidepot zogen wir unsere Schwünge zu einer  Geländekante, von der aus eine Variante der geplanten  Abfahrt möglich war.  Die geplante Abfahrt in Richtung All‘ Acqua hätte noch  eine unangenehme Querung in relativ steilem südseitigen  Gelände enthalten.  Aber so konnten wir einen schönen Hang über 400 hm  mit fast perfektem Firn hinabzischen.  An der Cap. Piansecco vorbei mussten wir uns dann aber  durch tiefen Sulz die Abfahrt schwer verdienen.  Ziemlich fertig und total durchgeschwitzt, standen wir  dann auf der Terrasse des Restorante All‘ Aqua, in dem  wir ein paar Jahre zuvor schon einmal nächtigten.  Leider erfüllte sich unser Wunsch nach einem schönen  Cappuccino nicht. Wie ich aber schon erwähnt habe war  das Lunchpaket sehr üppig.  Nach einer guten halben Stunde Pause drängten uns die  Gedanken an weitere 700 hm und 5 km Aufstieg wieder  in die Skischuhe.  Der Weg durch das Bedretto Tal in Richtung Nufenen  Pass war lang, einsam und warm.  Die Ruhe störte nur das rhythmische Zischen der Felle  und hin und wieder das Rauschen der Patrouille Swiss auf  Übungsflug.  Wenn man es schaffte den Kopf auszuschalten, hatte  auch dieser letzte Teil der Tagesetappe etwas sehr  Schönes.  Teilweise gelang es mir!  Von weiten konnten wir schon die futuristische Hütte  Capanna Corno Gries sehen.  Sie hat die Form einer umgedrehten Pyramide und wird  auch „das Raumschiff“ genannt.  Nach ca. 2 Stunden erreichten wir das „Raumschiff“, wo  wir schon erwartet und von der sehr netten Wirtin  herzlich begrüßt wurden.  Außer uns war nur noch eine Achter Gruppe in der ca. 40   Gäste fassenden Capanna.   Wir konnten in einem Zimmer für vier Personen unser  ganzes Hab und Gut bequem ausbreiten.  Der Gastraum war rundum mit einer großen Fensterfront   ausgestattet und man konnte von jedem Platz aus in das  Val Corno schauen.  Bei Radler und Bier konnten wir den zweiten Tag  nachbesprechen und waren uns einig, dass es ein sehr  anstrengender Tag mit ca. 1800 hm auf 20 km Strecke  war.  Aber es war auch eine ausgesprochene schöne Skitour  mit einem super Gipfelanstieg.  Insgesamt ein perfekter Tag, genau nach unserem  Geschmack.

Im Nachhinein möchte ich behaupten das wir nach dem  zweiten Tag so richtig drin waren in UNSERER „Route du  Soleil“ und es fühlte sich richtig gut an.  Die Handgriffe passten, der Tagesablauf war klar und das  Allerwichtigste war, dass wir ohne viel zu reden in die  gleiche Richtung dachten.  Wir waren uns einig wie der Ablauf einer Skitour mit bis  zu 2000 hm und Distanzen bis 20 km für uns  auszuschauen hatte.  Ich glaube diese Homogenität ist für das Gelingen einer  solchen Durchquerung ein wesentlicher Faktor.  Die nette Hüttenwirtin hatte drei sehr lustige Gehilfen  um sich geschart. Da anscheinend die Tage zuvor etwas  mehr los war, hatte sie sich kurzfristig Hilfe geholt. Mit  der Bewirtung von zehn Gästen hatten die drei Rentner  und die Wirtin jetzt leichtes Spiel und dementsprechend   lässig war die Stimmung.  Bei einem hervorragenden Abendessen und einer Flasche  Rotwein neigte sich dieser wunderbare Tag dem Ende zu.

Die andere Gruppe hatte für 5 Uhr das Frühstück bestellt,  wir wollten eigentlich erst um sechs. Damit die Wirtin  nicht eine Stunde Leerlauf hatte, haben wir uns auf 5:30  Uhr geeinigt.  Um 6:30 starteten wir nach einem feinen Frühstück eine  halbe Stunde später als die anderen.  Bei wieder sehr eindrucksvoller Morgenstimmung ging es  das Val Corno 10 km in Richtung Westen, vorbei am  Griespass und Griessee hinauf zum Griesgletscher.  Wieder erwarten war die Strecke sehr kurzweilig und wir  kamen flott voran.  Am Gletscher angekommen konnten wir auch die  Achtergruppe noch vor dem anseilen hinter uns lassen.  Da der Griesgletscher teilweise große Spalten hat, legten  wir hier zum ersten Mal auf dieser Route das Seil an.  Das geht bei zwei Personen recht schnell und bringt viel  mehr Sicherheit.   Den Gletscherbruch ließen wir rechts liegen und stiegen   dem großen Gletscherplateau auf 3000m entgegen.  Der strenge Westwind kündigte ein kleines  Tiefdruckgebiet an und bescherte uns einen mächtigen  Gegenwind.  In 15 Meter Abstand folgte ich Jürgen am Seilende. Bei  der immer gleichen Bewegung konnte man die Gedanken   weit schweifen lassen.  Es ist für mich immer wieder faszinierend welch schöne  Muster der Wind in den Schnee zaubert.   Überhaupt überkommt mich in solchen weiten und  gewaltigen Landschaften immer wieder das Gefühl der  Privilegierung hier sein zu dürfen, aber auch das  Bewusstsein, welch kleine Würmer wir Menschen für  diese wunderbare Erde sind.  Wir müssen sehr gut auf diese Wunderwerke der Natur  schauen und unser Leben den Regeln der Erde anpassen.   Nicht anders herum.  Am Gipfelhang des 3378m hohen Blinnenhorn  angekommen packte ich das Seil wieder auf den  Rucksack. Kurz besprachen wir, wie wir den ca. 40°  steilen Hang am besten angehen sollten.  In einem schönen Zickzack, mit entsprechendem  Entlastungsabstand und unter teilweise Zuhilfenahme  einer vorhandenen Spur, standen wir wenig später auf  einer hervorragen Aussichtskanzel.  Aus dem Windschatten kommend, standen wir auf dem   Gipfel wieder voll im Wind.  Jedoch war die Aussicht spektakulär. Die Berner 4000er  standen Spalier, der größte Alpengletscher, der Aletsch  war nur zum Teil sichtbar, aber trotzdem beeindruckend  groß.  Weiter westlich spitzten die Walliser aus dem Gipfelmeer  deutlich hervor.  Recht lange blieben wir nicht am Gipfel. Zum einen war  es nicht wirklich gemütlich, zum anderen war die  Schlechtwetterfront schon sichtbar.

Es standen jetzt die Abfahrt vom Gipfel, ein weiterer  Aufstieg und die Abfahrt zu unserer nächsten Unterkunft  an.   Nach einer kurzen Brotzeit auf einem Felsen unterhalb  des Gipfels machten wir uns an die Abfahrt auf die  italienische Seite in Richtung des geschlossenen Rifugio  Claudio Bruno.  Der Wiederaufstieg zum Mittlebärgpass war anfangs  recht schweißtreibend. Oben angekommen war es dann  wieder windig und die Wolken hüllten den zweiten  geplanten Gipfel, das Hohsandhorn, ein.  Die Entscheidung, diesen am Wegrand liegenden  Schnapper ausfallen zu lassen, viel uns recht leicht.  Bei schlechter Sicht war die richtige Einfahrt in den  westseitigen Steilhang nicht ganz klar, aber nach ein  wenig suchen fanden wir die beste Stelle über die  Wechte.  In wechselnden Schneearten fuhren wir unserem  Tagesziel, der Mittlenberghütte entgegen.  Die alte Militärhütte ist im Privateigentum eines  Bergführers und steht in aussichtsreicher Lage im  hinteren Binntal.  Bewirtet wird die 25 Personen fassende kleine Hütte von  einer erfahrenen Hüttenwirtin.  Von außen machte die charmante kleine Unterkunft  einen gemütlichen Eindruck.  Nachdem wir draußen noch teilweise die Sonne genießen  konnten, trieben uns dann der Wind und die Kälte ins  Innere.  Auch dieses Mal mussten wir das Lager nur mit einem  weiteren Paar teilen.  Die Ausstattung der Hütte war recht spartanisch, fließend  Wasser gab es nicht. Es musste das Schmelzwasser vom  Dach herhalten. Der Strom, gewonnen aus ein paar  PV-Platten und einem Windrad, konnte nur bedingt  gespeichert werden.  Aus diesem Grund blieb in der Hüttenstube das Licht aus,  bis es fast dunkel war.   Nach anfänglichem, netten Smalltalk entpuppte sich die  Wirtin als ziemlich eigen. Nicht nur die Stimmung,  sondern auch die Luft passten sich der düsteren Stube an.  Ein Mix aus Rauch vom zu kleinen Ofen, Küchengeruch,   schwitziger Kleidung und 10 Jahre nicht gelüftet kroch in  jede Faser unser Kleidung.  Die obligatorische Flasche Pinot Noir half uns ein wenig  die dunkle Zeit in der Hütte zu überstehen.  Schnell nannten wir unsere Unterkunft das „Hexenhaus“  mit entsprechender Bewohnerin.  Die Älpler Makkaroni passten dann auch noch ins  Gesamtkonzept.  Wir hatten am dritten Tag unserer Route wieder einen  wunderbaren Tag. Und das Hexenhaus war immer noch  besser als der Winterraum der benachbarten  Binntalhütte.  So gingen wir dennoch zufrieden wieder relativ früh ins  Bett.

Eigentlich sollte es vom Binntal aus am vierten Tag in  Richtung Italien zur Alpe Devero gehen und am  darauffolgenden Tag über die Alpe Veglia zurück ins  Wallis auf den Monte Leone.  Doch hat dort coronabedingt keine Unterkunft offen, auf  der Alpe Devero nicht einmal ein Winterraum. Auf der  Alpe Veglia hat der Winterraum im Refugio Arona keinen  Ofen.  Deshalb fiel Italien für uns flach.  Da die vierte Etappe nur knapp 1000 hm im Aufstieg  hatte, starteten wir erst um 7:30, nach einem nur  sättigenden Frühstück, mit einer Abfahrt vom Hexenhaus  in den Talboden. Das Zwischentief hatte übernacht ca.  5-10 cm Neuschnee gebracht und die Wolken hingen  noch tief. Der Lawinenlagebericht blieb auf zwei, warnte  jedoch vor frischen Triebschneepaketen hinter  kammnahen Hängen in Windrichtung.  Zu Beginn des Aufstieges war die Orientierung trotz der   schlechten Sicht relativ einfach.   Wir konnten uns entlang von großen Felsbrocken  orientieren, die uns einen Kontrast zum vielen Weiß  gaben.  Danach wurde es schwieriger, jedoch konnten wir  anhand unserer digitalen Karten auf unseren  Mobiltelefonen den richtigen Weg finden.  Sehr froh waren wir in dieser Situation über die  entspannte Lawinensituation, denn das eine oder andere  Mal tappten wir in zu steilem Gelände herum.  Hin und wieder riss die Wolkendecke auf, dann konnten  wir den Hang kurz überblicken und die Richtung  anpassen.  Plötzlich war über uns der Himmel blau und wir standen  schon unverhofft auf dem Passo di Valdeserta. Es umgab  uns eine magische Stimmung aus blauem Himmel,  Wolkenfetzen und spitzen Berggipfeln. Auch unser  heutiges Tagesziel, das Große Schinhorn, stand  unbezwingbar vor uns.  Nach einer kurzen Abfahrt in schönem Neuschnee folgten  wir dem Weg in Richtung Mittelbergpass.  Im letzten Steilstück zum Pass fanden wir dann auch den  angekündigten Triebschnee vor.  Bevor wir ein Problem bekamen, wichen wir ganz nach  links zu den Felsen hin aus, schulterten die Ski und  stapften in gutem Trittschnee hinauf. Über die  Südwestflanke ging es zum Skidepot, über leichtes  Blockgelände unschwierig zum ausgesetzten Gipfel.  Leider war mittleiweile das Schönwetterfenster schon  wieder geschlossen. Aussicht hatten wir keine, aber das  es an drei Seiten des Gipfels gewaltig in die Tiefe pfiff,  haben wir voller Ehrfurcht schon wahrgenommen.  Die Abfahrt vom Skidepot nach Binn war bis auf den  letzten, sulzigen unteren Teil, hervorragend. Die Wolken  verzogen sich immer mehr und Jürgen bewies eine gute  Spürnase für schöne Hänge.  Kurz vor Binn, in Fäld war dann Schluss mit den Ski.  Da wir uns um unser Weiterkommen noch nicht so  wirklich gekümmert hatten, standen wir erst mal ein paar  Minuten blöd rum.  Aber wie bestellt brummte uns keine 10 min. nachdem  wir die Ski abgeschnallt hatten der Postbus entgegen.  Beide rissen wir die Arme hoch: „Hurrraaaa – es läuft!“.  Rund eineinhalb Stunden später, nachdem wir erst mit  dem kleinen Bus aus dem Binntal gefahren sind, mit  einem größeren von Ernen nach Fiesch, kamen wir mit  dem Zug in Brig an.   Als erstes gingen wir wie zwei ausgehungerte Löwen in  den COOP. Dabei hat es sich mal wieder bewiesen, dass  man nicht mit leerem Magen zum Einkaufen gehen soll.  Da es mittleierweile schon wieder richtig schönes Wetter  war und im Tal auch richtig warm, konnten wir uns auf  einer Terrasse eines geschlossenen Restaurants am  Bahnhof ausbreiten.  Wie die Penner verteilten wir unsere Klamotten zum  auslüften. Der Mief des Hexenhauses hatte sich sehr  hartnäckig in unsere gesamte Ausrüstung gebissen.  Mit Brotzeit, Bier, dösen, Leute beobachten, Kaffee usw.  vergingen die drei Stunden auf unserem Sonnenplatz  schneller als gedacht.  Und so standen wir wieder, alles schön in unsere  Rucksäcke verpackt, an der Bushaltestelle in Richtung  Winter, Schnee, 2000m – dem Simplonpass.

Für die nächsten zwei Nächte waren wir im Simplon  Hospiz eingebucht.  Ein sehr, sehr beeindruckendes Gebäude.  Nicht nur die massive Bauweise und damit verbundene  wuchtige Erscheinung von außen und innen, sondern  auch die spürbare Historie beeindruckte uns sehr.  Nachdem wir unser Viererzimmer zur Zweierbenutzung  bezogen haben, genossen wir erst mal eine ausgiebige  warme Dusche.  Danach erkundeten wir das beeindruckende Gebäude   und informierten uns an Schautafeln über die bewegende   Geschichte. Kurz vor dem Abendessen genossen wir noch   die himmlische Ruhe in der hauseigenen Kirche.  Das Essen erinnerte eher an eine Kantine, oder an die  Bundeswehrzeit, aber das war völlig in Ordnung.  Wir waren ja nicht zum dinieren hier.  Und ein Flasche Wein hat es auch hier für uns gegeben.  Dieser Tag hat uns gutgetan, so konnten wir nochmal  Motivation und Kraft für die letzten zwei, sehr strengen  Tage sammeln.  Am nächsten Tag starteten wir mit leichtem Gepäck, und  vollem Akku in Richtung Monte Leone.  Ich merkte ziemlich schnell das ich heute gut drauf war  und so übernahm ich die Führung.  Über das Thema Führung haben wir eigentlich gar nicht  gesprochen, war auch nicht nötig. Denn wir teilten uns  diese Aufgabe ganz einfach auf.   Wer sich gerade gut fühlte ging einfach voraus, der  andere marschierte in seinem eigenen Rhythmus  hinterher.  Wenn es etwas zu entscheiden oder beurteilen gab  machten wir das gemeinsam.  Mit dieser Herangehensweise kamen wir immer sehr flott   voran.  An diesem Sonntagmorgen ging es sogar ziemlich flott,  nach zwei Stunden ohne Pause, standen wir schon  1000hm über dem Hospiz.  Am sehr zugigen Breithornpass vorbei, ging es wieder  über weite Gletscherflächen an den Fuß des Gipfelgrates.  Am Skidepot wechselten wir auf Steigeisen und Pickel.  Schwierig war der Grat nicht, jedoch hatte er ein paar  leichte Felskletterstellen und eine Firnschneide mit  teilweise ausgesetzten Stellen.  Insgesamt ein schönes Finale.

Auch wenn auf dieser Tour mehr los war als die Tage  zuvor, standen wir wieder alleine auf dem 3.554 m hohen  Monte Leone. Von hier konnten wir gut den klassischen  Weg der „Route du Soleil“ nach Italien zur Alpe Veglia  sehen.  Auch die Walliser 4000er waren jetzt schon zum Greifen  nah.  Vom Gipfel aus konnten wir schon ein paar weitere  Gruppen Gipfelaspiranten sehen.   Ehe es zu Stauungen am Grat kommen würde, traten wir  den Rückzug an.  Vom Skidepot glitten wir in die Mulde des  Gletscherbeckens. Von dort stand nochmal ein  Gegenanstieg zum sehr windigen Breithornpass an.  Beim Aufstieg dachte ich mir bereits, dass die Abfahrt  kein Schmankerl werden würde. Dabei hatte ich mich  jedoch geirrt.   Der Schnee war zwar ziemlich hart gepresst, aber  meistens super zu fahren und so konnten wir über die  1300 hm hinab zum Simplonpass unsere Spuren in den  Schnee ziehen.  Am Hospiz angekommen, verteilten wir unsere  Ausrüstung auf der Asphaltfläche vor dem Gebäude zum  trocknen, besorgten uns zwei Bier und genossen den Rest  des Nachmittags in der Sonne.  Von hier aus konnten wir bereits einen Teil unserer  letzten Etappe einsehen.   Der Übergang vom Simplonpass ins Saas Tal hatte es  nochmal richtig in sich, zumal wir in der Tourenplanung  die Senggchuppa, einen 3607 m hohen Nebengipfel des  Fletsch- bzw. Lagginhorn als großes Finale stehen hatten.  Der Abend entwickelte sich wie immer – Essen, Wein und  dann ins Bett.  Wir hatten uns entschieden um 5 Uhr aufzustehen, damit  wir im 6 aufbrechen konnten.  Da von Samstag auf Sonntag die Zeit umgestellt wurde,  war es jetzt um sechs noch dunkel.  Mit unseren Stirnlampen ausgerüstet ging es erst mal  eine halbe Stunde über einen Wanderweg in Richtung  Süden 200 hm bergab.  Um kurz vor 7 Uhr, nach ein wenig Sucherei, konnten wir  dann die Felle aufziehen.  Heute setzte sich Jürgen an die Spitze und der  Kuba-Obermeier-Zug marschierte wieder bergan.  Eine Dreiergruppe mit dem gleichen Vorhaben, die wir  schon vom Vortag kannten, ließen wir dann auch gleich  beim ersten Steilaufschwung hinter uns.  Dann wurde es für Jürgen echt richtig gemein. Ein ca. 300  hm Hang mit Bruchharsch und darunter eine locker  aufgebaute Schicht machte das Spuren zu einer  zermürbenden Schinderei.  Bei mir als Zweitem ging es schon besser, war aber auch  nicht schön. Die Drei hinter uns hatten dann ziemlich  leichtes Spiel.  Oben am Pass auf 2800 Meter machten wir dann eine   Pause.  Die Abfahrt vom Pass ins Obere Fulmoos auf 2600m war  zwar viel Querung, aber ein paar schöne Schwünge  konnten wir noch machen.  Die Gruppe aus Lausanne hatte jetzt, nach unserer  verlängerten Pause auf dem Pass, wieder aufgeschlossen.  So starteten wir jetzt zu fünft in Richtung unseres letzten  geplanten Gipfels. Für die letzten 1000 hm Aufstieg  mussten jetzt nochmal alle Reserven mobilisiert werden.  Ich übernahm die Führung und ging in einem Zug vom  Auffellplatz über den Gemsagletscher auf 3100m.  Zwei der Lausanner konnten nicht mehr zum Gipfel und  so schloss sich Holger, ein gebürtiger Freiburger, uns an.  Nach einer weiteren halben Stunden kamen wir zum  Gipfelhang der Senggchuppa. Die Nordseite, auf die wir  zugingen, sah gar nicht so freundlich aus. Ziemlich steiles  Blankeis zog vom Gipfel herab.   In mir kamen schon leichte Zweifel hoch, ob das letzte  Stück ohne größeren Aufwand möglich wäre.  Unser einsames dreier Grüppchen marschierte weiter auf  die Westseite. Hier sah das Ganze schon freundlicher aus.  An einer passenden Stelle machen wir dann Depot.  Jürgen musste noch seinen Schweinehund überreden mit  auf den Gipfel zu kommen, das war aber auch ziemlich  schnell erledigt.  Und so ging es erst über Harsch, dann über verblasenen   Trittschnee, langsam aber stetig, unschwierig auf 3607 m.  Beim auffellen auf 2600m hatte ich kurz überschlagen,  dass wir um ca. 12:30 Uhr am Gipfel sein würden, und um  12:28 Uhr war es dann auch soweit.   Überglücklich beglückwünschten wir uns zum letzten und  auch höchsten Gipfel unseres Sonnenweges.  Bei bestem Wetter und fast ohne Wind konnte uns  Holger, der sich als sehr guter, fitter Bergsteiger und  bester Kenner der Walliser Alpen herausstellte, das ganze  sehr beeindruckende Panorama, das fast nur aus 4000er  bestand, genau erklären.

Die Abfahrt von ca. 3450 m bis nach Saas Balen, 1450 m  hatte alles zu bieten was wir auch schon die Tage zuvor  immer wieder geniesen durften. Aber zum Schluss hatte  die Tour noch 500 hm südseitigen Abstieg in der  Nachmittagssonne auf Lager.  Dieses Schmankerl konnte uns die Laune jedoch nicht  mehr verderben. Erstens war der Weg durch schöne  Zirben- und Lärchenwälder, vorbei an malerischen  Almhütten und einem Kreuzgang, echt schön.  Und Zweitens haben wir die „Route du Soleil“ geschafft.  Ja, alles geklappt, alles perfekt und der Name war bis auf  den halben Tag im Binntal Programm.  Zum Schluss standen ca. 100 km Wegstrecke auf Ski und  ca. 10.000 hm Aufstieg auf dem Tacho.  Als wir die überhitzen Füße in den Dorfbrunnen von Saas  Balen streckten hörte ich ein leises Zischen.  Gezischt hat auch das Dosenbier beim öffnen.   Auf dem Boden bereiteten wir uns eine deftige Brotzeit  mit Walliser Spezialitäten vom ToGo-Verkauf in einem  Restaurant.  Ziemlich kaputt, aber beseelt von unserer Tour durch die  Kantone Uri, Tessin, ein bisschen Italien und Wallis,  konnten wir die drei Stunden vom Saastal bis nach Realp  in Bus und Bahn vor uns hinträumen.  Die „Route du Soleil“ ist keine besonders schwere Tour,  sie hat nicht die ganz hohen und bekannten Gipfel und  sie ist nicht so berühmt wie mach andere.  Aber ich habe genau das bekommen was ich mir erwartet  habe – und noch mehr.   Schöne Etappen, alpine Gipfelanstiege, einsame  Abschnitte, sportliche Anstrengung und Momente der  Besinnung auf das Wesentliche.  Das alles mit einem alten Freund – nicht mit irgendeinem  Bergpartner – erleben zu dürfen, setzt dem noch die  Krone auf.

Josef Obermeier, April 2021

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