Es geht doch nichts über eine Bergtour. Das schöne Panorama, die herrliche Natur mit ihren knorrigen Bäumen, die vielen bunten Blumen! Doch während man die Namen der Berggipfel in der Ferne schon im Schlaf herunterbeten kann, schaut es mit den Pflanzen direkt vor der Nase oft nicht so gut aus. Latsche, Enzian und Edelweiß kennt man ja noch, aber den Rest…Dabei sind die Alpen voll von schönen, spannenden und einzigartigen Pflanzen. Hier ist eine kleine Auswahl typischer Gebirgspflanzen für alle, die nicht nur in die Ferne, sondern auch mal auf den Boden schauen möchten, und für alle, die nochmal wiederholen wollen, was sie bei der letzten Blumentour gelernt haben.
Januar 2024:
Zirbelkiefer/Zirbe/Arve (Pinus cembra)
Vom Namen her ist die Zirbe den meisten Leuten bekannt. Man kennt ihr Holz von Schlafzimmermöbeln und den Zirbenstuben in manchen Hütten und Bauernhöfen und ihren harzigen Geschmack von dem Stamperl Zirbenschnaps, den man vielleicht in einer dieser Zirbenstuben getrunken hat. Den Baum selbst hat aber noch nicht jeder gesehen, denn dafür muss man hoch hinaufsteigen.
Weil die Zirbe sehr langsam wächst und gleichzeitig viel Licht braucht, muss sie dorthin ausweichen, wo die anderen Bäume keine Konkurrenz mehr für sie sind, nämlich ins Hochgebirge. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt in den Zentralalpen in Österreich und der Schweiz. In Bayern gibt es nur einzelne kleinere Vorkommen in hohen Lagen, z. B. im Nationalpark Berchtesgaden. Wegen des extremen Klimas, in dem sie wächst, wird die Zirbe nicht höher als 25 m, dafür kann sie bis zu 1000 Jahre alt werden. Von anderen Kiefern kann man sie leicht unterscheiden, denn als einzige heimische Kiefernart stehen bei ihr die Nadeln nicht zu zweit, sondern zu fünft zusammen.
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Ein wichtiger Verbündeter der Zirbe ist der Tannenhäher, der sich hauptsächlich von den Samen der Zirbe ernährt. Er versteckt einen Teil davon als Wintervorrat und verbreitet sie so über weite Entfernungen. Die Samen der Zirbe sind theoretisch auch für den Menschen essbar und schmecken ähnlich wie Pinienkerne. Leider ist es sehr schwierig, echte Zirbensamen zu bekommen. Selber sammeln darf man die Zirbenzapfen in Deutschland gar nicht, in Österreich nur unter starken Einschränkungen. Im Handel bekommt man sie, wenn überhaupt, nur zu einem horrenden Preis. Die als Zirbennüsse (oder Zedernnüsse) im Handel angebotenen Kerne stammen nicht von der europäischen Zirbe, sondern von der Sibirischen.
Früher waren Zirbennüsse für die Alpenbewohner besonders im Winter eine wichtige Nahrungsquelle. In Milch gekocht wurden sie als Mittel gegen Lungenkrankheiten verwendet. Das Harz wurde wie Weihrauch zur Desinfektion und zum Schutz von Haus und Hof verräuchert. In Tirol wurde der Tee aus Kiefernnadeln sogar als Verhütungsmittel verwendet. Dieses Hausmittel ist zwar heute nicht mehr zu empfehlen, aber die antiseptische, schleimlösende Wirkung der Zirbe wird heute noch geschätzt. Das Harz hilft zur Salbe verarbeitet bei der Wundheilung und erleichtert bei Husten und Lungenbeschwerden das Atmen. Der Zirbenschnaps wirkt auch als Magenmittel, bei Erkältungen und Gliederschmerzen.
So nützlich, wie die Zirbe für die Menschen war, ist es verständlich, dass sie von den Gebirgsbewohnern sehr verehrt wurde. Eine Zirbe zu fällen oder ihr Holz als Brennholz zu nutzen, galt als Frevel. Die Zirbe war als Kraft- und Schutzbaum bekannt. Er sollte die erschöpften Wanderer stärken, dem verirrten Bergsteiger zeigte sie mithilfe eines blauen Lichts den richtigen Weg.
Heute gilt das Fällen von Zirben zwar nicht mehr als Frevel. Weil die Baumart so selten ist, gibt es aber Beschränkungen bei der Menge der gefällten Bäume. Das Holz wird zu hohen Preisen verkauft und häufig zum Bau von Schlafzimmermöbeln verwendet. Laut einer österreichischen Studie sollen Betten aus Zirbenholz einen erholsameren Schlaf bringen und die Herzfrequenz senken. Allerdings gibt es auch eine Studie, die dasselbe über die Fichte sagt. Wem ein Bett aus Zirbenholz zu teuer ist, der kann sich auch mit einem sogenannten Zirbenkissen behelfen, das mit Holzspänen aus Zirbe gefüllt sind.
Text und Bildauswahl: Annemarie Kastlmeier