Bergkiefer
(Pinus mugo)
Zwar sind es fast immer Enzian und Edelweiß, die die Prospekte und Werbeplakate der Tourismusbranche zieren, doch mit Ausflügen im Gebirge verbinden die meisten doch eher eine andere Pflanze, die viel häufiger ist, in höheren Lagen fast allgegenwärtig. Wer kennt auch nicht die wunderbaren Schlussanstiege zum Gipfel durch ausgedehnte Latschenfelder, in denen sich die Mittagshitze staut und die dafür aber auch gar keinen Schatten bieten?
Aber halt, allzu schlecht sollte man über die Latschenkiefer nicht reden, denn sie ist ein zähes Gewächs, das auch noch in Höhenlagen wächst, wo die Bäume längst das Handtuch geworfen haben. Oberhalb der Waldgrenze bildet sie dichte Gebüsche, die oft den Weg hinauf zum Gipfel säumen. Ansprüche an den Boden hat sie kaum. Sie erträgt Trockenheit, Nährstoffmangel und Kälte, übersteht Steinschläge, Schnee und Lawinenabgänge. Das Einzige, ohne das sie nicht auskommt, ist Licht, aber das gibt es auf den Berggipfeln ja zur Genüge.
Hauptsächlich wächst die Latschenkiefer in Höhenlagen zwischen 1000 und 2700 m. Sie bildet dort den sogenannten Krummholzgürtel, zusammen mit der ebenfalls strauchförmigen Grünerle und der Alpenrose.
Zugegeben, groß ist die Latschenkiefer nicht. Wie ihr Name und ihre langen Nadeln verraten, die immer in Zweierbündeln am Zweig zusammenstehen, gehört sie zu den Kiefern, aber anders als ihre Verwandten sieht sie mehr aus wie ein Busch als wie ein Baum und wird selten höher als 3 m. Ein anderer Name für die Latsche ist Legföhre. Warum, das wird schnell klar, wenn man sich die Triebe von Latschen in steilem Gelände ansieht, die nicht wie bei anderen Sträuchern möglichst senkrecht nach oben wachsen, sondern erst einmal ein Stückchen am Boden entlangkriechen, bevor sie sich nach oben biegen. Grund dafür ist der Schneedruck, ein Phänomen, das den Pflanzen im Gebirge meist viel schlimmer zusetzt als jeder Lawinenabgang. Denn während Lawinen sich nur hie und da mal lösen, ist der Schnee beinah überall. Und auch wenn er nicht polternd und tosend zu Tal rumpelt, folgt er doch immer der Schwerkraft talabwärts und zieht die Zweige und kleinen Bäumchen, die unter ihm versteckt sind, mit nach unten. Das Ergebnis lässt sich an Bäumen sehen, die am Wurzelanlauf fast waagrecht aus dem Boden ragen und sich dann erst nach oben biegen- oder an abgebrochenen Stämmchen. Während die Bäume verzweifelt gegen den Schneedruck ankämpfen, hat sich die Latsche mit ihm arrangiert. Sie versucht gar nicht erst, senkrecht zu wachsen, sondern biegt sich einfach mit dem Schnee. So kann sie auch problemlos in Steilhängen wachsen, sogar Lawinenstriche kann sie besiedeln.
Wie die meisten Nadelhölzer riecht die Latsche sehr aromatisch. Ihr ätherisches Öl hilft bei Erkältungskrankheiten, vor allen bei Erkrankungen der Atemwege, und ist außerdem sehr wirksam bei Muskelverspannungen und Gelenkschmerzen. Es ist eine der Zutaten im berühmten Franzbranntwein.
Man möchte es nicht glauben, so häufig wie die Latsche im Gebirge ist, doch sie steht wie viele Bergpflanzen unter Naturschutz. Wer also ein paar Zweige mitnehmen möchte, sollte das entweder unauffällig machen oder greift zurück auf eine der vielen Zierformen, die es mittlerweile von der Latschenkiefer gibt, und die so schöne Namen tragen wie Humpy, Henry, Carsten, Mops oder Alpenzwerg.
Habe ich gesagt, die Latschenkiefer wächst niemals baumförmig? Naja, das ist nur zum Teil richtig. Denn die Latschenkiefer ist nur eine Unterart der Bergkiefer, nämlich die Unterart Pinus mugo mugo. Zur gleichen Art gehörig, aber doch ziemlich anders ist die sogenannte Spirke (Pinus mugo uncinata). Die wächst nicht an Berghängen, sondern bevorzugt Moore, wo sie sehr wohl baumförmig wächst und Höhen von bis zu 25 m erreichen kann. Für die Freunde botanischer Feinheiten: Es gibt noch eine dritte Unterart der Bergkiefer, nämlich Pinus mugo rotundata, zu deutsch (und jetzt wird es endgültig verwirrend) Moor-Bergkiefer oder auch Moor-Spirke, die mit 3-10 m höhenmäßig irgendwo zwischen Latsche und Spirke liegt. Ich hoffe, damit sind alle Klarheiten beseitigt.
Text: Annemie Kastlmeier
Bilder: Canva